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20.09.10 Harzburger Front und Rechtsextremismus heute
Geschrieben von: Sigrid Probst   
Im Landesmuseum wurde am 19.09. die Ausstellung „Harzburger Front und Rechtsextremismus heute“ eröffnet.

Herr Markus Weber vom Verein Spurensuche Harzregion e.V. führte in die Ausstellung ein. Er betonte, daß ihm die Schülerarbeit besonders am Herzen liegen würde. Er führte weiter aus, daß bis 1988 das Thema in Bad Harzburg fast komplett totgeschwiegen worden sei. Der Verein habe aber gute Arbeit geleistet und bürgerschaftliches Engagement geweckt. Im Jahr 2009 gab es dann im Rat der Stadt Bad Harzburg eine positive Abstimmungen, diese Ausstellung auf den Weg zu bringen. Die Reaktionen seien überwiegend positiv ausgefallen. „Endlich: Es wurde Zeit, Dinge beim Namen zu nennen.“ Einige Unverbesserliche hätten sich aber auch zu Wort gemeldet.

Dr. Peter Schyga, 1.Vors. des Vereins, stellte fest, daß in der heutigen Erinnerungsarbeit etwas ungut läuft. Die Opfer hätten lange im Vordergrund gestanden, die politischen Praktiken der damaligen Zeit seien dahinter weniger deutlich geworden. Es dürfe keine Umkehrung von Opfern und Tätern geben. Geschichte würde oftmals als Moralkeule benutzt werden. Die Zeit, die wir jetzt haben, sollte zu einer politischen Bewusstseinsbildung genutzt werden.

Die damalige Entwicklung beschrieb Dr. Schyga so: Weimar war eine „getriebene“ Gesellschaft. Alles folgte Schlag auf Schlag: Eine nicht gelungene Revolution, ein verlorener Krieg, der Untertanengeist, die russische Revolution. Demokratie wurde zu einem mühsamen Prozess. In diesem Wirrwar sammelten sich Arbeitslose und Freischärler und viele andere mehr. Die Weltwirtschaftskrise kam dazu. 1928 wählten 2,8% die NSDAP. 1932, kaum 4 Jahre später, wurde diese Partei mit 37,3% stärkste Partei. Die Fronten standen sich gegenüber. Die „Weltbühne“ wurde verboten und ständig vor den Kadi gezerrt, ebenso wie Lieder und Revuen. Erste Verfolgungen begannen. Ganze Teile der Gesellschaft wurden zerschlagen, eine demokratische Mehrheit war plötzlich verschwunden. Truppen aus Harzburg und Braunschweig vereinten sich sehr schnell. Zusammenschlüsse aus u.a. DNVP, Stahlhelm und der NSDAP bildeten die „Harzburger Front“ (Okt. 1931). Es gab kaum Widerstand dagegen. Eine Woche später sammelten sich 104.000 „SA“-Männer auf dem Franz´schen Feld und marschierten dann vor Hitler vor dem Braunschweiger Schloss auf. Die spätere Menschenverachtung und Menschenvernichtung sei in diesen Jahren allerdings so noch nicht vorstellbar gewesen.

Schyga stellte einen Zeitbezug her: „Wir haben vielleicht noch etwas Zeit, aber wir werden nicht umhinkommen, uns einzumischen.“

Reinhard Koch von der „Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt, Braunschweig (ARUG)“ dazu: Wir mischen uns ein, und das schon seit 12-15 Jahren. Zusammenhänge zwischen früher und heute seien überall erkennbar. Er erläuterte einige landläufige Erklärungen für rechtes Gedankengut: „Rechts“ würde nur als Problem der neuen Bundesländer wahrgenommen, oder nur als „Jugendproblem“, oder erschöpfe sich in den Wählerstimmen. Dies alles seien Legenden. Sein Fazit: „Wir haben es mit einem Demokratieproblem zu tun.“

Die Ausstellung zeigt aber auch explizit den rechten Jugendkult auf. Dieser verspricht soziale Ordnung, Anerkennung, das Gefühl dazu zu gehören und gebraucht zu werden, verknüpft mit einem Elitestatus. Die einfache Botschaft lautet: „Es gibt Lösungen! Du bist doch Deutscher, alle anderen müssen sich hinten anstellen.“

Bei den Seminaren der ARUG, auch in Berufsschulen, sei von den Jugendlichen oft zu hören: „Ich bekomme keine Arbeit. Ich bin gar nicht vorgesehen.“ Hier sei es wichtig, vor Personen zu warnen, die sich als Elite vorstellen. Denn der Aspekt der Elite sei ein tragendes Element rechtsextremen Gedankenguts. Die Frage stehe dann im Raum: Wo haben diese jungen Menschen anerkannte Welten?

Die Szene habe einen enormen Modernisierungsschub gemacht. 24 Stunden könne man heute rechtsextrem sein! Es gäbe kein Tabu. Im Jahr 2002 gab es eine erschreckende Umfrage in der Gesamtbevölkerung, das sei heute bestimmt nicht besser. Und die Jugendlichen? „Sie reden nicht, sie handeln auf der Straße“, meint Reinhard Koch. Viel zu wenig Menschen würde mit den Jugendlichen reden. Koch dazu: „Wir wollen mit ihnen kommunizieren.“

Diese Sonderausstellung ist sehr sehenswert. Sie läuft im Landesmuseum, Burgplatz, zu den üblichen Öffnungszeiten. Es gibt aber auch „Sonntag im Museum“-Führungen durch die Ausstellung für 2,-Euro Teilnahmegebühr pro Person plus regulärem Museums-Eintritt.